Bereits seit einiger Zeit bewirbt Münster unter dem Slogan „Weil es uns alle braucht“ die Erarbeitung eines “Klimastadt-Vertrags”. Doch dieser Slogan lässt Fragen offen und wirft einige Probleme auf.
Das Problem
Der Slogan tut so, als müssten “wir alle” Klimaschutz einfach nur stark genug wollen. Dabei sind die Einflusssphären normaler Bürger*innen ja viel kleiner als zum Beispiel die vom aktuellen Oberbürgermeister. Der Slogan lenkt also von den systemischen Rahmenbedingungen ab, in denen normale Bürger*innen handeln.
Die Rolle des Einzelnen
Wenn du einen mittelmäßigen Radweg befährst, kommt’s auf dich vielleicht weniger an, als wenn du ihn baust. Wenn du die Tiefgarage über deine Miete mit bezahlen musst, kommt’s auf dich vielleicht weniger an, als wenn du die Bebauungspläne verantwortest. Wenn du das Auto nimmst, weil der Bus unzuverlässig ist, kommt’s auf dich vielleicht weniger an, als wenn du die Öffis kaputtsparst.
Die Wirksamkeit von Umweltbewusstseins-Kampagnen
Man könnte jetzt sagen: Na und? Ein paar Leute wird die Kampagne jawohl motivieren. Wenn da nicht die Übersichts-Studie wäre, die bei Kampagnen für Radfahren und Zufußgehen keine Wirksamkeit nachweisen konnte. Oder die andere Übersichts-Studie, die bei Kampagnen für CO2-arme Communities keine Wirksamkeit nachweisen konnte. Oder selbst die Übersichts-Studie, die bei Kampagnen gegen Meeres-Verschmutzung keine Wirksamkeit nachweisen konnte.
Die negativen Auswirkungen von Appellen an Individuen
Die Konsequenz
Kampagnen, die die Verantwortung für systemische Probleme auf Individuen abwälzen, sind bestenfalls wirkungslos aber schlimmstenfalls schädlich. So stellt sich die Frage: auf wen kommt es wirklich an?
Die Verantwortung für den Klimaschutz liegt nicht nur bei den Einzelnen, sondern vor allem bei Entscheidungsträger*innen, die systemische Rahmenbedingungen aufrechterhalten anstatt sie einzureißen. Es ist wichtig, sich dessen bewusst zu sein und entsprechend zu handeln.
Der Beitrag der Stadt Münster im Bereich Mobilität
Für den Beitrag des “Stadtkonzerns” nennt Münster auf der Werbe-Website für den Prozess folgende “beispielhafte” Einträge:
- “Die Stadtwerke Münster planen die vollständige Umstellung der Busflotte auf Elektromobilität”
- “Die Umsetzung des Veloroutenkonzeptes in der Stadtregion Münster”
- “Entwicklung einer Münsterland-S-Bahn und die Neukonzeption des bestehenden ÖPNV-Angebots”
- “Der konsequente Um- und Ausbau des städtischen Fahrradnetzes”
- “Es findet eine schrittweise Umstellung des städtischen Fuhrparks auf Elektroautos sowie ein neuer Umgang mit Dienstreisen und Angeboten für Mitarbeitendenmobilität statt”
Ja, das ist die vollständige “beispielhafte” Liste der Maßnahmen mit Mobilitätsbezug. Es sind die bekannten, zwar sinnvollen aber doch in Summe unambitionierten bzw. unkonkreten Maßnahmenpakete. Nichts von einer drastischen Reduktion von Parkraum, Neuverteilung des Straßenraumes oder anderen wirksamen Maßnahmen zur Eindämmung des privaten Kfz-Verkehrs. Dieser ist der Haupt-Verursacher für Treibhausgasemissionen des Mobilitätssektors, die größte Gefahrenquelle und der stärkster Lebensqualitätsfresser in der sogenannten Fahrradstadt Münster.
Es stellt sich schon die Frage, ob irgendwer ernsthaft glaubt, dass mit dieser Liste und gut gemeinten Beiträgen einzelner nicht-städtischer Akteur*innen eine Halbierung des Kfz-Verkehrs bis 2030 und damit eine Verlagerung auf Fuß-, Rad- oder öffentlichen Verkehr erreicht werden kann. Besonders, wenn die Notwendigkeit für diese Reduktion sowieso nur irgendwo in den Untiefen des Ratsinformationssystems versteckt wird und es nicht auf die hübschen Werbematerialien geschafft hat.
Ob der Stadt noch kreative ergänzende Ideen einfallen? Wir hätten da ein paar.
Dieser Beitrag wurde auch im Blog des Verkehrswende-Bündnis veröffentlicht.