Stellungnahme des Verkehrswende-Bündnis Münster zum aktuellen Stand des integrierten Parkraumkonzepts

Schilder Parkleitsystems der Stadt Münster

Das Verkehrswende-Bündnis ist ein Zusammenschluss von 14 Organisationen aus Münster, die gemeinsam die Verkehrswende in Münster vorantreiben wollen.

Beteiligte Organisationen: Greenpeace Münster, Fahrgastverband PRO BAHN Münsterland, Kidical Mass Münster, Interessengemeinschaft Fahrradstadt.ms, VCD Münsterland, Bürgerinitiative B51 Handorf, BUNDjugend Münster, Klimaentscheid Münster, 24 Stunden Promenade, Platanen Power, Fridays For Future Münster, FUSS e.V. Gruppe Münster, ADFC Münsterland und BUND Kreisgruppe Münster.

Wir befinden uns mitten in der Klimakrise und haben eine Ambitionslücke in der lokalen und nationalen Verkehrspolitik. Ungefähr ein Jahr nach Veröffentlichung des integrierten Parkraumkonzepts der Stadt Münster und der von uns vorgetragenen Kritik blicken wir besorgt auf den Umsetzungsstand. Die beteiligten Organisationen fordern eine Anpassung der Prioritäten und eine zügigere Umsetzung – auch und besonders der wenigen geplanten Push-Maßnahmen.

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Dein Signal gegen blockierte Kreuzungen

Eine blockierte Kreuzung in Münster. Die Ampel für den Radverkehr zeigt grün, mehrere Fahrzeuge stehen noch auf der Straße.

Seit eine Baustelle die völlig überdimensionierte Weseler Straße in der Nähe des Aasees schmaler macht, gibt es regelmäßig Rückstau bis auf die Kreuzungen. Ein Naturgesetz ist das nicht: Durch vorausschauendes Fahren können Menschen mit Motor verhindern, ein gefährliches Ärgernis für andere zu werden. Gute Ampelschaltungen, die Fehlverhalten einberechnen und deshalb zulasten des Kfz-Verkehrs zusätzliche Räumzeiten berücksichtigen, sowie regelmäßige Kontrollen können dies unterstützen. Besonders der Fuß- und Radverkehr als verletzlichste Gruppe von Verkehrsteilnehmenden leidet unter blockierten Kreuzungen.

Blockierte Kreuzungen

  • sind ärgerlich für alle
  • setzen Rad- und Fußverkehr zusätzlichen Gefahren aus
  • erschweren Einsatzfahrten von Rettungsdiensten, Feuerwehr und Polizei

Übrigens: Die Straßenverkehrsordnung verbietet explizit das Halten auf Fußgänger*innenüberwegen.

Kennst du Kreuzungen in Münster, die regelmäßig durch Nachzügler blockiert sind? Dann klicke auf diesen Button und schreibe eine Mail an die Polizei, die Straßenverkehrsbehörde und den kommunalen Ordnungsdienst der Stadt Münster:

Mit dem Klick öffnet sich deine E-Mail-App. Du musst die Mail selbst auf deine Situation anpassen und sie selbst absenden. Dir steht natürlich frei, ob du uns und das Fahrradbüro der Stadt bei deiner Mail in Kopie nimmst, aber wir freuen uns darüber.

Wir haben die Situation auch in einem Video dokumentiert, welches wir bei YouTube, bei Bluesky und bei Instagram veröffentlich haben.

Darum könnte sich dieses Jahr einiges drehen

Eine Aufnahme des PARK(ing) Day 2025 von der Wolbecker Straße. An einem sonnigen Tag sind viele Menschen auf der Straßen und sehen sich um. Im Hintergrund ist die Kanalbrücke von Münster zu erkennen, auf der ein einzelnes Auto fährt. Darüber der Text: "Darum könnte sich dieses Jahr einiges drehen"

2025 könnte in Münster einiges im Bereich Verkehrswende passieren und dem Umweltverbund aus Fußverkehr, Radverkehr und Öffis mehr Raum und Komfort gegeben werden – zulasten des privaten Autoverkehrs. Warum das trotz langem Beinahe-Stillstand gut möglich ist:

Oberbürgermeister Markus Lewe hat nichts mehr zu verlieren

Markus Lewe (CDU), der aktuelle Oberbürgermeister von Münster, möchte nicht erneut kandidieren. Während er vor einigen Jahren noch stolz angekündigt hat, dass Münster schon 2030 klimaneutral sein möchte, klingt er zwischenzeitlich ambitionslos. Markus Lewe übernimmt seit 25 Jahren politische Verantwortung in Münster und hat fünf Kinder. Mit dem unaufhörlichen Voranschreiten der Klimakrise wird auch an ihm die Frage nagen, ob er genug getan hat. Er ist lokalpolitischen Parteibuddys auf Sicht nicht mehr verpflichtet und könnte Rückgrat beweisen, indem er die tiefgreifenden Schritte anstößt, die die Klimakrise erfordert. Genug Dokumente, die erklären, was eigentlich nötig wäre, gibt es.

Die Politik will angesichts der Kommunalwahl Kante zeigen

Im Rat der Stadt Münster gibt es eigentlich eine öko-soziale Mehrheit. Der Ratskoalition aus SPD, Grünen und Volt ist angetreten, um die Verkehrswende voranzutreiben. Auch Gruppierungen wie ÖDP und die Linken unterstützten sie in diesem Vorhaben. All diesen Parteien kann die verkehrspolitische Bilanz nicht ausreichen. Ihre tendenziell einer echten Verkehrswende zugeneigten Wähler*innen sehen tagtäglich, dass Münster weder grün noch autoarm ist – und im Gegenteil mehr und mehr Blech die Lebensqualität schmälert. Um so ausgeprägter und weitreichender könnten Vorhaben auf den letzten Metern angestoßen werden.

Die Verwaltung setzt manches bewusst vor der Kommunalwahl um

Wer die verkehrpolitische Entwicklung in Münster aufmerksam beobachtet weiß, dass die Verwaltung auch ein politischer Akteur ist. Zeitpunkte, Art und Weise der Kommunikation und Umsetzungsdetails werden im Sinne eines gut zu vermarktenden Images gesteuert – aber ohne tiefgreifenden Wandel. Es soll eben vor allem so aussehen, als wäre Münster fortschrittlich im Bereich Mobilität. Es ist deshalb gut möglich, dass die ein oder andere kontroverse Maßnahme kurz vor der Kommunalwahl plötzlich umgesetzt wird. Das Ergebnis: Empörung bei Parkplatzbeweinern und Mobilitätsdinosauriern, die sich auf die Wahl auswirkt – mit dem nie offen ausgesprochenen Ziel, nicht zu progressiven Verhältnisse zu haben. Denn ein*e progressive Bürgermeister*in mit passender Ratsmehrheit könnte einige Denkmuster einreißen, was der ein oder andere vermeiden wollen wird. Gleichzeitig könnten langfristig wirkende politische Entscheidungen bis hinter die Kommunalwahl geschoben werden, in der Hoffnung, dass sich dann nicht zu viel verändert. All dies ist um so ärgerlicher für diejenigen innerhalb der Verwaltung, die tatsächlich einen tiefgreifenden Wandel anstoßen wollen – 2025 ist auch ihre Chance, durch Indiskretionen und kleine Rebellionen die Umweltbewegung zu unterstützen.

Die Klimagerechtigkeitsbewegung ist immer besser organisiert und vernetzt

Münster hat von Klimaentscheid bis Verkehrswendebündnis und in all den Gruppierungen, die jeweils dazu gehören, viele Menschen mit ausgeprägtem Veränderungswillen. Sie sind die Ausgangspunkte, die in wenigen Wochen hunderte Menschen auf die Straßen bringen wie etwa zur Verkehrsminister*innenkonferenz. Immer mehr Menschen sind in der Lage dazu, Kommunikationsmittel wie Signal zu benutzen, vernetzen sich und lernen. B-Side, Umwelthaus und SpecOps sind Orte, die öko-sozialen Wandel und Vernetzung ermöglichen. Der PARK(ing) Day bringt jedes Jahr um die 70 lokale Initiativen zusammen, die Bündnisse schmieden von bürgerlichen bis radikalen Initiativen. Viele haben erkannt, dass wir gemeinsam Spaltungsversuche abwehren müssen.

Alte Versprechen sind gut dokumentiert

War da nicht noch was mit 2025? Ach ja, das Radverkehrskonzept Münster 2025, vor 9 Jahren noch Zukunftsmusik und jetzt ist 2025 plötzlich gekommen und der Radweg vor der Tür immer noch kaputt. Wenn es in Münster an einem keinen Mangel gibt, dann sind das Dokumente, die Zielzustände beschreiben, die nie erreicht werden. Erfreulicherweise sind alte Versprechen gut dokumentiert, so dass Medien und Aktivisti dies thematisieren können – und vielleicht dazu führen, dass mehr darüber geredet wird, was heute noch passiert als was in einem Jahrzehnt vielleicht sein könnte.

Stellungnahme zum integrierten Parkraumkonzept der Stadt Münster

Screenshot einer Grafik aus dem integrierten Parkraumkonzept der Stadt Münster, erstellt durch die PGT.

Pressemitteilung von IG Fahrradstadt.MS, Kidical Mass Münster, Greenpeace Münster, ADFC Münsterland e.V., Fridays for Future Münster und VCD Münsterland (16.06.2024)

  • Gemeinsame Stellungnahme zum integrierten Parkraumkonzept der Stadt Münster an die Mitglieder des Ausschuss für Verkehr und Mobilität (05.04.2024) von IG Fahrradstadt.MS, Kidical Mass Münster, Greenpeace Münster, ADFC Münsterland e.V. und Fridays for Future Münster (nachträglich ebenso mitgetragen vom VCD Münsterland)
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Untätigkeitsklage gegen Stadt Münster – Stadt verschleppt Verkehrsberuhigung

Beispiel Geiststraße: Stadt verschleppt Verkehrsberuhigung. Untätigkeitsklage gegen die Stadt Münster

Eine fünfjährige Odyssee: Fünf Bürgeranträge, eine Petition an den OB, eine Anregung gemäß § 24 GO NRW, zwei Anträge der BV-Mitte, sowie zwei Anträge über einen Rechtsanwalt wegen zu hoher Lärm- und Luftschadstoffbelastung ohne dass etwas vor Ort passiert führen zu Untätigkeitsklagen gegen die Stadt

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Münster will Klimastadt werden, aber…

Grafik mit dem Schriftzug "Wen braucht es dazu wirklich?". Das Wort "Wen" ist pink hervorgehoben.

Bereits seit einiger Zeit bewirbt Münster unter dem Slogan „Weil es uns alle braucht“ die Erarbeitung eines “Klimastadt-Vertrags”. Doch dieser Slogan lässt Fragen offen und wirft einige Probleme auf.

Das Problem

Der Slogan tut so, als müssten “wir alle” Klimaschutz einfach nur stark genug wollen. Dabei sind die Einflusssphären normaler Bürger*innen ja viel kleiner als zum Beispiel die vom aktuellen Oberbürgermeister. Der Slogan lenkt also von den systemischen Rahmenbedingungen ab, in denen normale Bürger*innen handeln.

Die Rolle des Einzelnen

Wenn du einen mittelmäßigen Radweg befährst, kommt’s auf dich vielleicht weniger an, als wenn du ihn baust. Wenn du die Tiefgarage über deine Miete mit bezahlen musst, kommt’s auf dich vielleicht weniger an, als wenn du die Bebauungspläne verantwortest. Wenn du das Auto nimmst, weil der Bus unzuverlässig ist, kommt’s auf dich vielleicht weniger an, als wenn du die Öffis kaputtsparst.

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Flyover – Auf dem Boden bleiben

Jetzt also doch. Die Radfahrerbrücke, das sogenannte Flyover soll kommen.

Die IG Fahrradstadt ist erstaunt darüber, dass das erst Anfang 2020 auf Eis gelegte Projekt aufgetaut werden soll und jetzt Hals über Kopf und schnellstmöglich durch alle Gremien zur Genehmigung gejagt wird.

Was ist der Sinn und was steckt dahinter?

Unserer Meinung nach ist dieses Leuchtturmprojekt ein Signal an der falschen Stelle zum falschen Zeitpunkt.

Wie auf der Bildmontage aus der Verwaltungsvorlage von 2020 ersichtlich, ist der einzige Grund dieses Bauwerks, den MIV ungehindert mitten durch Münster fließen zu lassen. Die Radfahrer von der Aegidiistraße und vom Kanonengraben in Richtung Bismarckallee und umgekehrt sollen den Verkehrsfluss nicht unterbrechen.

Die Straße vor dem Aasee ist jedoch entgegen anders lautenden Behauptungen keine Bundesstraße mehr. Die B54 verläuft über die Torminbrücke, an der seltsamerweise kein Flyover geplant ist und die Pendler dort an der Ampel auf den Bettelknopf drücken und warten müssen – hier fehlt ein schlüssiges Konzept!

Es ist die Manifestierung des Vorrechts des motorisierten Individualverkehrs gegenüber dem Fahrrad in einer sogenannten Fahrradstadt – €10 Millionen für maximal 2000 + 600 Radfahrer auf der Route Bismarckallee hoch zur Promenade bzw. zurück, zum großen Teil Schüler:innen und Student:innen zur Mensa, zur Schule und zu den Unistandorten entlang des Weges bis zur Torminbrücke. Und es ist kein Zufall, Beginn und Ende der Rampe an der Mensa zu setzen.

Nicht, dass Schüler:innen und Student:innen kein Anrecht auf erstklassige Infrastruktur hätten, aber: Die ermittelten restlichen 28.000 Radfahrer an dem Kreuzungspunkt nehmen andere Routen – hierfür müssen ebenfalls kreuzungsfreie, beschleunigte Wege gefunden werden. Ein Großteil will zudem von der Bismarckallee ins Zentrum: mittwochs, freitags und samstags ist Markt auf dem Domplatz.

Genau aus diesen Gründen ist der Flyover nur ein überteuertes Leuchtturmprojekt, welches nur Prestige und die Interessen des Autoverkehrs im Sinn hat.

Was geht

Was gibt es doch wahrlich für andere Möglichkeiten, eine zukunftsorientierte Lösung für den gesamten Abschnitt, der ein wirkliches Leuchtturmprojekt wäre – eine Umgestaltung, die dem Namen Fahrradstadt gerecht würde. Mal abgesehen von dem Gewinn für die Stadt, wenn man kreuzungsfrei von der Innenstadt zum Aasee kommt – z.Z. schaffen es selbst sportliche Fußgänger:innen bei Grün nicht ganz über die Ampel an der Weseler Straße.

Das geht:

  1. Den gesamten Abschnitt ab Scharnhorststraße bis zur Querung Promenade / Am Stadtgraben für den MIV sperren, mit Durchfahrt für Busse, die Ampeln entfernen.
  2. Die Aegidiistraße, die Straße Am Kanonengraben und die Adenauerallee, das Teilstück Am Stadtgraben / Weseler Straße als Fahrradstraße. Damit entsteht mit den bestehenden Fahrradstraßen Annette-Allee und Bismarckallee ein komfortables Netz von Fahrradstraßen im Herzen der Stadt.
  3. Mit intelligenten Einbahnstraßenlösungen in Pluggendorf den Durchgangsverkehr raushalten.

Und sonst noch

Schneeräumung, Eisglätte und Reifglätte als zusätzliche Gefahren inklusive der „Schussfahrten“ in die Bismarck Allee sofern es keine „Drängelgitter“ gibt und zusätzlich noch die Folgekosten.

Lasst uns das Geld sinnvoller ausgeben, als weiterhin den Radverkehr in Münster vor dem MIV zu verstecken.

Nötig wären umfangreiche Investitionen für die dringenden Reparaturarbeiten an der Radinfrastruktur (Weseler Straße, Friedrich-Ebert-Straße, Kolde-Ring und und und) und sicherlich findet sich noch das ein oder andere Projekt, das Leuchtturmcharakter/Signalwirkung hat, dem Radverkehr wirklich was nützt und gerne auch individuellen Profilierungsabsichten dienen kann. Ein paar Vorschläge:

Für 10 Millionen könnte man z.B.

  • 94.420 Fahrradbügel in Edelstahlausführung bauen
  • 2.500 Familienlastenräder kaufen (Bakfiets Cargo Bike Long)
  • 50 Kreuzungsbereiche radfahrgerecht umbauen (siehe 200 Tsd. € Kosten für freilaufenden Rechtsabbieger Hammer Str./Friedrich-Ebert-Str.)

Die Förderquote durch Bund und Land ist übrigens nur aus städtischer Perspektive relevant. Für uns Bürgerinnen und Bürger kommen die Mittel so oder so aus gezahlten Steuern, deshalb sind diese Argumente auch legitim. Auch binden die Umsetzung und der Unterhalt personelle Kapazitäten bei der Stadt, hinzu kommen außerdem jährliche Kosten zum Unterhalt.

Schützen Sie bitte diese historische Grünfläche. Zerstören sie weder Rasen, Stauden noch Gehölze.

Nehmen wir die Stadt Münster beim Wort. Leuchttürme gehören an die Küste. Für eine Stadt, die sich dreht, müssen sich alle auch trauen, dem Kfz Raum weg zu nehmen – und ansonsten auf dem Boden bleiben. Oder auch, wie es die frühere Version der Machbarkeitsstudie formulierte: „Es wird grundsätzlich eine Neustrukturierung dieser Verkehre empfohlen, auf einer Ebene.“

Was taugen Münsters Fahrradstraßen?: Heute Frauenstraße und Katthagen

Ein Verkehrszeichen 112 (Warnung vor unebener Fahrbahn) liegt auf Kopfsteinpflaster in nassem Laub.

Zentimeter enges Überholen, Kopfsteinpflaster, entgegenkommende Autos versperren den Weg – Wer denkt bei solchen Begriffen an eine Fahrradstraße? So sieht jedoch die traurige Wahrheit der Frauenstraße/Katthagen mitten in der Münsteraner Innenstadt aus. Allem Anschein nach wurde das rund 400m lange Stück Auto-Einbahnstraße kurzfristig mit Fahrradstraßen-Schildern dekoriert und in beide Richtungen für den Radverkehr freigegeben – schon kann sich die Stadt Münster für ihre Radinfrastruktur auf die Schulter klopfen.

Doch zunächst die drögen Fakten. Von Schlossplatz kommend führt die asphaltierte Frauenstraße zunächst zur Überwasserkirche und dann als schmaler Zweirichtungs-Radweg weiter in Richtung Dom. Dies ist eine wichtige Radverkehrsachse vom Schloss zum Prinzipalmarkt. Von der Überwasserkirche / Wilsbergs Antiquariat führt der gekopfsteinpflasterte Katthagen in Richtung Norden zur Rosenstraße. Hier ist etwas weniger Radverkehr zu beobachten, wahrscheinlich weil Kopfsteinpflaster für Radfahrer das Äquivalent von Splitt auf der Autobahn ist.

Auf dem Bilde treffen die Straße Schlossplatz und Frauenstraße auf einer T-Kreuzung aufeinander. Die Fahrradstraße Frauenstraße ist mit einem Fahrradstraßen Schild ausgeschildert und rechts und links von parkenden Autos gesäumt.
Die Einfahrt in die Frauenstraße aus Richtung Schlossplatz.

Wie überall in Münster ist auch diese Fahrradstraße eine Mogelpackung, da sie ganz regulär für den Autoverkehr freigegeben ist. Immerhin nur als Einbahnstraße in Richtung Schlossplatz, könnte man meinen. Beidseitig parkende Autos, aber auch Fahrradständer engen die Fahrbahn jedoch so stark ein, dass Begegnungsverkehr zwischen Auto und selbst einem einzelnem Fahrrad nicht mehr möglich ist. Missachtet der Autofahrende den Vorrang des Radverkehrs und fährt in die Engstelle ein, sind Radfahrer gezwungen abzusteigen, und müssen, wenn es denn möglich ist, auf dem Gehweg weiterschieben. An diesen Stellen ist auch ein Begegnungsverkehr zwischen zwei nebeneinander fahrenden Radfahrern nicht möglich, da ggf. Sicherheitsabstand zu Autotüren eingehalten werden muss. Welch Komfortgewinn durch die Ausweisung als Fahrradstraße!

Besonders unverständlich ist die bisherige prekäre Lage des Radverkehrs durch abgestellte Autos, wenn der Schlossplatz als großer Stellplatz doch direkt angrenzt. Man darf auf die autofreie Innenstadt hoffen? Auf der anderen Seite ist der Parkbedarf für die Fahrräder von Anwohnern und Kunden der anliegenden Restaurants und kleinen Geschäften noch lange nicht gedeckt – weiterhin werden Räder leider auf den engen Gehwegen abgestellt und ausgewiesene Lastenradparkplätze sind durch reguläre Fahrräder besetzt. Hier könnte leicht Abhilfe geschaffen werden, wenn der Stadtraum einer “Fahrradstraße” nicht weiter zu Gunsten der KfZ aufgeteilt wäre.

Auf der direkten Trasse zwischen Prinzipalmarkt und Schloss ist die Frauenstraße aktuell wohl der gefährlichste, aber nicht der unkomfortabelste Abschnitt. Hier offenbart sich die Schwäche des Münsteraner Radwegenetzes, neuralgische Punkte (z.B. Prinzipalmarkt und Schloss) schnell, bequem und sicher für Radfahrende miteinander zu verbinden. 

Die Fahrradstraße Katthagen mit Kopfsteinpflaster und gesäumt von Autos, die beidseitig parken.
Kopfsteinpflaster auf einer Fahrradstraße…

Was taugen Münsters Fahrradstraßen?: Heute Lindberghweg

Der Lindberghweg gehört mit seinen ca. 2 km zu den eher längeren Fahrradstraßen. Er wurde im Jahr 2017 zur Fahrradstraße und ist seit Mitte 2020 auf voller Länge mit rotem Asphalt eingefärbt. Die Straße ist Teil der Veloroute zwischen Münster und Everswinkel die sich aktuell im Ausbau befindet.

Im Rahmen der Umbaumaßnahmen wurden auch mehrere Aufpflasterungen entfernt, da diese entsprechend des neuen Qualitätsstandards für Fahrradstraßen nicht auf ebendiesen zu finden sein sollen. Die Entfernung führt, in Verbindung mit dem glatten Asphalt, zu einem recht komfortablen Fahrgefühl. Im Vergleich zu den sonst in Münster üblichen gepflasterten Radwegen, ist das Fahren auf dem Lindbergweg, in Bezug auf die Fahrbahnoberfläche, überaus leichtgängig. Leider wurden teilweise die Gullideckel nicht vollständig der Asphaltdecke angepasst. Somit weicht man diesen, wie auch den stark aus der Asphaltdecke herausgehobenen Fahrradstraßen Symbolen, lieber aus, um Erschütterungen zu vermeiden und Kraft zu sparen.

Die Strecke bietet für Radfahrende eine gute Verbindung aus dem Hansaviertel in Richtung Angelmodde und Loddenheide. So wird der Umweg um den Stadthafen und über den Albersloher-Weg vermieden. Leider gilt dies auch für Autos. Insbesondere während den Zeiten des PendlerInnen-Verkehrs ist auf dem Lindberghweg reger Autoverkehr. Der Charakter der Straße lädt leider auch zu höheren Geschwindigkeiten ein. Somit wird sich häufig nicht an die Höchstgeschwindigkeit von 30km/h gehalten.

Im September 2019 gab es zu der Umgestaltung des Lindberghweges eine Informationsveranstaltung der Stadt. Dort wurden auch die Ergebnisse einer temporären Geschwindigkeitsmessung vorgestellt (diese fand noch vor dem Aufbringen des roten Asphalts statt). Die Durchschnittsgeschwindigkeit lag bei ca. 43 km/h und die höchste gemessene Geschwindigkeit lag bei über 100 km/h. Eine Fahrradstraße sollte nicht zu einem Schleichweg für AutofahrerInnen werden, die nicht Teil des Staus auf dem Albersloher Weg werden wollen.

Ein Faktor, der einerseits zu den hohen Geschwindigkeiten beiträgt, aber auf der anderen Seite zu einem sichereren Fahrgefühlt führt, ist, dass auf dem Lindberghweg auf weiten Teilen keine Fahrzeuge auf der Fahrbahn abgestellt werden. Die Gefahr auf dem Lindberghweg besteht also nicht aus sich öffnenden Fahrzeugtüren. Durch den Gehweg am Fahrbahnrand sind auch gefährliche Situationen, die sich durch Einfahrten ergeben, entschärft.

Aufgrund des Verbots der Doppelbeschilderung ist es nicht erlaubt, weitere Verkehrszeichen aufzustellen, die auf die Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h hinweisen. Somit hat die Stadt im Dezember 2020 Plakate an die Laternenmasten angebracht. Diese bitten die VerkehrsteilnehmerInnen darum 30 km/h zu fahren. Ob die Plakate in der Größe einer Partyankündigung erkannt und akzeptiert werden, muss sich noch herausstellen.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass der Lindberghweg recht angenehm befahrbar ist. Diese Aussage ist allerdings nur für die Zeiten gültig, zu denen wenig Autos auf dem Lindberghweg fahren, denn die größte Einschränkung der Sicherheit und des Komforts ergeben sich, wie oben bereits geschrieben, aus den fahrenden Autos.

Was taugen Münsters Fahrradstraßen? Heute: Heisenbergstraße

Die Heisenberg- und Busso-Peus-Straße bilden eine Fahrradstraße zwischen der Corrensstraße und dem Gievenbecker Weg nördlich vom Coesfelder Kreuz. Die mit knapp 570m recht kurze Strecke führt zwischen dem Fachhochschulzentrum (FHZ) und dem Technologiehof entlang und dient hauptsachlich als Zuleitung zu den Universitätsgebäuden am Coesfelder Kreuz aus dem durch Studentenwohnheime geprägten nördlichen Gievenbeck.

Im Osten beginnt die Fahrradstraße an einem Denkmal des Größenwahnes der Münsteraner Autoverkehrsplaner, der dort 5 (!) spurigen Corrensstraße. Für Radfahrende ist natürlich Vorfahrt zu achten. Am westlichen Ende kann man leider nicht nach Süden abbiegen, ohne entweder abzusteigen und über das Straßenbegleitgrün zu laufen, oder eine gesamte Runde im Kreisverkehr zu drehen.

Auch bei der Heisenberg- und Busso-Peus-Straße handelt es sich wieder um eine typische Münsteraner „Fahrradstraße“ als Mogelpackung, da motorisierter Individualverkehr weiterhin freigegeben ist. Dieser nutzt besonders in Jahren mit Präsenzlehre das östliche Stück als Einfahrt für den Parkplatz der Fachhochschule. Auch fahrbahnbegleitende Parkplätze gibt es einige. Automobiler Durchgangsverkehr wird jedoch durch einen Modalfilter zwischen Heisenberg und Busso-Peus-Str verhindert.

Leider wird der Modalfilter in der Mitte der Fahrradstraße von den AutofahrerInnen gerne als Parkplatz genutzt.

Im Sommer 2019 wurde die Heisenbergstraße (ca. 360m) als eine der ersten Fahrradstraßen in Münster nach den neuen Qualitätsstandard für Fahrradstraßen ausgebaut. Die Methode der Fahrbahneinfärbung mit rotem Splitt auf einer frischen Bitumenschicht hinterließ jedoch wochenlang eine dicke Schicht hoch unangenehmen Rollsplitts, wie wir hier dokumentiert haben. Die Unfallgefahr durch den losen Split ist zwar nun gebannt, die raue Oberfläche erzeugt jedoch hohen Rollwiederstand und weißt bereits Schäden an der Einfahrt zum FH-Parkplatz auf. Auch die Stadt ist mit dieser Methode der Fahrbahneinfärbung nicht zufrieden. Die Menge an Falschparkern hat sich seit der Neueinfärbung und schärferen Kontrolle zwar verringert, jedoch war 2020 mit wenigen Hochschulpräsenzveranstaltungen ein schlechtes Jahr, um den langfristen Erfolg der Maßnahmen zu beurteilen. Die Busso-Peus-Straße ist noch nicht ausgebaut und glänzt somit nur durch Schlaglöcher und randliche Falschparker. Die Breite der Fahrgasse bleibt jedoch gewahrt.

Insgesamt bescheinigen wir der Heisenberg- und Busso-Peus-Straße eine angenehm breite Fahrgasse mit unangenehmer Oberfläche.