Folgende Rede hielt Joachim Bick heute bei der von Kindern organisierten Demonstration mit dem Motto „Lasst das Auto stehen, macht das Fahrrad startklar – Demo von Kindern für weniger Autos“:
Hallo Münster! Hallo liebe Kinder aus Münster und hallo liebe Eltern, Großeltern, Kinderlose!
Mein Name ist Joachim Bick und ich gehöre zu einer Gruppe von Menschen, die finden, dass Mobilität in Münster noch viel besser werden kann und muss. Wir nennen uns Interessengemeinschaft Fahrradstadt Münster und haben uns erst vergangenen Donnerstag, also vor drei Tagen, gegründet. Wir sind also in gewisser Weise, so wie ihr auch, jung.
Uns geht es darum, dass weniger Stau, Lärm und schlechte Luft die Menschen in unserer Stadt belasten. Aber wie geht das? Es ist eigentlich ganz einfach: Je besser es durch ein Verkehrsmittel erreicht werden kann, desto mehr sollte dieses Verkehrsmittel gefördert werden. Und wenn man sich die Arten anschaut, wie sich ein Mensch bewegen kann, dann ist schnell klar, welche Reihenfolge es dafür geben muss: zu aller erst Fußgänger, dann Radfahrer, dann öffentlicher Verkehr, dann Taxis, Carsharing und Fahrgemeinschaften und erst ganz zum Schluss private Autos.
Unsere Stadt ist aber nicht so gebaut. Die breiten, gut ausgebauten Fahrbahnen für Autos nehmen den meisten Raum ein. Kreuzungen sind so gebaut, dass vor allem Autos schnell durch sie hindurch kommen. Es gibt fast überall Parkplätze für Autos – und dieser Platz kann natürlich nur einmal genutzt werden. Wo ein Auto parkt, da gibt es keine Bank zum hinsetzen. Da gibt es keinen Baum oder Park. Da gibt es auch keinen Spielplatz und natürlich auch keine Möglichkeit, ein Rad sicher anzuschließen. Durch ein Auto kann man nicht hindurch gucken. Im Durchschnitt stehen private Autos 23 Stunden am Tag unbenutzt rum. Eine Bank, ein Baum, ein Park oder ein breiterer Radweg nützt viel mehr Menschen und das auch für längere Zeit!
Und in der Realität nehmen Autos sogar noch mehr Platz ein, als die Stadt ihnen eigentlich zugesteht. Sie parken überall: auf der Busspur, auf dem Radweg, auf dem Gehweg, auf Flächen, auf denen parken verboten ist, weil dann die Feuerwehr oder Müllabfuhr nicht mehr durch kommt. Und weil Autos so schwer sind und die Modelle auch leider immer schwerer werden, machen sie dabei die Gehwege oder Radwege auch immer ein bisschen kaputt. Das merken dann wieder Fußgänger und Radfahrer, wenn die Pflastersteine eben nicht mehr gerade liegen.
Aber was passiert denn dann mit denjenigen, die sich nicht an die Regeln halten? Gibt es da nicht Menschen, deren Job es ist, sich darum zu kümmern? Ja, die gibt es. Aber es gibt von ihnen zu wenige, wie die Stadt selbst eingesteht, und leider kümmern sie sich auch nicht immer. Und manchmal, da machen sie es sogar selbst nicht richtig.
Wir von der IG Fahrradstadt wollen, dass Radfahrende schnell, komfortabel und sicher an ihr Ziel kommen – und zwar egal, wie alt sie sind. Und dafür müssen vor allem auch Wege und Kreuzungen besser werden. Das bedeutet, dass sie breiter werden, einen besseren Untergrund bekommen und nicht mehr von Autos zugeparkt werden können. Und natürlich muss dieser Platz irgendwo her kommen. Für uns ist klar: die Häuser kann man nicht abreißen. Bäume müssen blieben, weil eine Stadt mit Pflanzen und Bäumen einfach schöner ist. Gehwege dürfen nicht noch schmaler werden. Und da bleibt dann nur der Platz, den aktuell die Autos belegen. Das heißt dann, dass Auto-Parkplätze entfernt werden müssen oder eine Spur für Autos entfernt werden muss. Es gibt keinen anderen Weg.
Auf der nördlichen Hammer Straße zum Beispiel mit ihren vier Spuren für fahrende und stehende Autos könnte man abwechselnd auf einer Seite die Parkplätze entfernen und hätte genug Platz für breitere, geschützte Radwege, auf denen sich zwei Personen unterhalten können und trotzdem keine dritte Person aufhalten, die sie überholen möchte. Manche sagen bei solchen Ideen, dass dann der Einzelhandel darunter leiden würde, aber das ist falsch. Es wurde weltweit vielfach von Wissenschaftlern untersucht und uns ist kein Beispiel bekannt, in dem der Umsatz eingebrochen ist. Im Gegenteil: Radfahrer kaufen zwar weniger ein, wenn sie da sind. Aber sie kommen viel öfter vorbei. Sie können einfacher mal eben abhalten und sie sehen auch viel besser, was in den Schaufenstern steht.
Liebe Kinder: Erwachsene sagen ja so oft, dass Kinder ihre Zukunft wären. Aber sie handeln nicht so. Sie bauen ihre Städte nicht von sich aus um. Glaubt ihnen bitte nicht alles, was sie euch erzählen: sie müssen mit dieser Welt nicht so lange auskommen, wie ihr es müsst.
Ihr müsst mit der bisherigen Inkonsequenz meiner Generation und der Generationen vor mir leben.
Es hilft Menschen in meinem Alter und älteren vielleicht, die Welt aus den Augen eines Kindes zu sehen. Wie sieht da so ein moderner SUV aus? Das ist eine brutal designte Maschine, aggressiv in der Erscheinung, mit bösen Augen. Deren vorderste Front schon höher ist, als ich groß bin. Die so breit ist, dass man noch nicht mal erahnen kann, wie lang sie noch ist. Die so schwer ist, dass auch der stärkste Mensch nicht gegen sie ankommt. Sie sind ein Grund, weshalb der Verbrauch von Benzin in Deutschland steigt und auch mehr Abgas in die Umwelt gepustet wird – obwohl die Motoren effizienter geworden sind. Sie müssten eigentlich viel teurer sein, aber dagegen wehrt sich die Bundesregierung, wie man zum Beispiel sehr schön in einer Ausgabe der Anstalt vom ZDF sehen kann.
Es gibt aber bei all dem, was falsch läuft und leider sogar oft aktuell schlimmer wird, auch viel Hoffnung. Und die seid ihr, liebe Kinder, aber die sind auch alle anderen, die heute hier sind. Wir alle können etwas tun. Wir können unsere Schulen dazu auffordern, dass sie etwas dagegen tun, dass so viele Kinder mit dem Auto gebracht werden. Wir können unseren Eltern sagen, dass wir das auch selbst nicht wollen. Als ich in eurem Alter war, da war es peinlich, wenn jemand mit dem Auto gebracht wird. Da haben die Kinder gefragt: „kannst du nicht laufen?“. Wir können bei der Critical Mass Münster am letzten Freitag im Monat mitfahren. Wir können dem Ordnungsamt immer wieder sagen, dass es sich um Falschparker kümmern soll, durch die wir alle gefährdet oder eingeschränkt werden. Wir können Politikern schreiben oder sie anrufen und auffordern, endlich etwas zu unternehmen. Und wir können selbst Rad fahren – und das geht eigentlich immer, egal wohin man weshalb möchte.
Kurz gesagt: jeder kann sich engagieren.
Dass Demonstrationen und Initiativen für Mobilität funktionieren können, ist übrigens historisch bewiesen. In Holland gibt es nicht so gute Radwege, weil die Regierung und die Städte da irgendwann Lust drauf hatten. Es waren Bürger der Stop de Kindermoord – Initiative, durch die Holland so wurde, wie es heute ist.
Das geht auch in Deutschland und vielleicht beginnt es ja neben dem Radentscheid in Berlin auch in Münster – und vielleicht beginnt es ja mit euch! Bleibt kritisch, sagt eure Meinung, lasst euch nicht einlullen und gebt erst auf, wenn ihr eure Ziele erreicht habt!