Fahrradstraßen – ist bunt besser?

Die Stadt hat mal wieder einen neue Idee wie der Radverkehr in Münster besser und sicherer werden kann. Hierzu sollen bis 2025 sowohl alle bisherigen 12 Fahrradstraßen rot eingefärbt werden, als auch weitere 10 Straßen als solche ausgewiesen werden (dann ebenfalls in rot). Dafür sollen insgesamt fast 6 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Ist das sinnvoll?

Vorweg zur Definition einer Fahrradstraße: Nach der Straßenverkehrsordnung und der dazugehörigen Verwaltungsvorschrift ist eine Fahrradstraße eine Straße, in der die vorherrschende (oder zukünftig vorherrschende) Verkehrsart das Fahrrad ist. Sonstiger Fahrzeugverkehr darf nur ausnahmsweise zugelassen werden. Details im Wortlaut hier nachzulesen. Auf Fahrradstraßen hat der Radverkehr Vorrang (darf z.B. nebeneinander fahren), sonstiger Fahrzeugverkehr muss sich unterordnen. Es gilt außerdem generell Tempo 30 (auch ohne zusätzliches Schild).

Vorbild: Fahrradstraße in den Niederlanden (Foto: Henk Tammens)

Nun sollen diese Fahrradstraßen bei uns, nach niederländischem Vorbild, farblich rot markiert werden. Dazu die Begründung der Stadt (Details zur Beschlussvorlage hier.):

„Im Ausschuss für Stadtplanung, Stadtentwicklung, Verkehr und Wohnen (ASSVW) wurde am 24.11.2016 das „Radverkehrskonzept – Münster 2025“ beschlossen. Das Radverkehrskonzept beinhaltet konkrete Zielstandards hinsichtlich der Breite und der Qualität von Radverkehrsanlagen. Mit Hilfe der Zielstandards soll die Radverkehrsinfrastruktur anforderungsgerecht optimiert und durch ein einheitliches Erscheinungsbild sichtbarer und sicherer gemacht werden. Unter anderem sollen Fahrradstraßen nach dem langjährig bewährten niederländischem Vorbild rot eingefärbt werden. Da auf den Fahrradstraßen der Kfz-Verkehr nur nachrangig zugelassen ist, soll diesem Umstand durch besondere farbliche Hervorhebung Rechnung getragen werden. Dies ist u. a. empfehlenswert, weil Fahrradstraßen in der jetzigen baulichen Ausgestaltung (Piktogramme und Beschilderung) kaum als solche wahrgenommen werden – weder von den Radfahrern, noch von den Autofahrern. Durch die Roteinfärbung wird die Aufmerksamkeit aller Verkehrsteilnehmer signifikant erhöht. Gerade in der Fahrradstadt Münster mit ihrem extrem hohen Radverkehrsanteil ist dies allein schon aus Gründen der Verkehrssicherheit geboten. Ergänzend ist eine weiße Breitstrichmarkierung vorgesehen, die an den Knotenpunkten und Grundstückseinmündungen als Furtmarkierung nur unterbrochen wird und so die Durchgängigkeit der Fahrradstraße auch optisch unterstreicht.“

Aber sorgt hier rote Farbe wirklich für mehr Sicherheit und eine bessere Beachtung der Regeln durch den motorisierten Verkehr oder liegt das Problem nicht doch ganz woanders?

Schaut man sich die bestehenden Fahrradstraßen an, so fällt auf, das die allermeisten den Zusatz „motorisierter Verkehr frei“ enthalten. Damit dürfen weiterhin alle Verkehrsteilnehmer die Straßen befahren, es gilt lediglich den Vorrang des Radverkehrs zu beachten. JedeR Radfahrende, der/die häufiger auf Münsters Fahrradstraßen unterwegs ist, weiß (und hier hat die Stadt Recht), dass es um dieses Wissen bei vielen Menschen in Autos und LKW nicht gut bestellt ist. Auch das generelle Tempo Limit von 30km/h wird gerne ignoriert (es steht ja kein zusätzliches Schild). Diese Erfahrungen machen wir vor allem am Lindberghweg bzw. Lütkenbecker Weg (trotz Krefelder Kissen).
Vor allem im Vergleich mit den, von der Stadt so gelobten, Vorbildern in den Niederlanden wird deutlich wo das Problem liegt:

Fahrradstraße in den Niederlanden (hier nicht rot markiert)
Fahrradstraße in Münster (Schillerstraße)

Es wird schnell deutlich, dass er große Unterscheid darin liegt, dass in den Niederlanden, auch ohne rote Markierung, vor allem kaum bis keine Autos sind. In Münster sind die meisten Fahrradstraßen beidseitig vom ruhenden motorisierten Verkehr belegt, es bleibt häufig nur eine Restfahrbahn von etwas mehr als einer Autobreite übrig. Begegnungsverkehr? Fehlanzeige. Komfortables und vor allem sicheres Radfahren? Häufig nicht möglich.

Fahrradstraße Bismarckallee
Fahrradstraße Frauenstraße

Auch spielt die Kommunikation der Verkehrszeichen eine ganz unterschiedliche Sprache. Während in den Niederlanden sehr deutlich gezeigt wird, dass der motorisierte Verkehr lediglich „zu Gast“ ist, heißt es in Münster (und Deutschland) „motorisierter Verkehr frei“. Dieser kleine aber feine Unterschied zeigt ebenfalls, auch in der Wahrnehmung vieler Autofahrer, dass hier nicht viel anders ist als sonst im Straßenverkehr. Der Wunsch nach einer Regeländerung sorgt bei der Bevölkerung inzwischen auch dafür, dass eigenmächtig die Schilder umgestaltet werden:

Fahrradstraße Schmeddingstraße mit „Zusatzschild“

Es wird sehr deutlich, dass das eigentlich Problem der Akzeptanz eher nachrangig mit der Farbe der Fahrbahn zu tun hat, als vielmehr damit, dass die Fahrradstraßen in Münster schlichtweg keine echten im Sinne der StVO sind und das der motorisierte Verkehr, sowohl der fließende als auch der ruhende, viel zu viel Platz einnehmen. Daran wird auch eine rote, grüne oder blaue Fahrbahn nichts ändern.

Apropos Farbe: In der Beschlussvorlage wird von der Stadt vorgeschlagen, die farbliche Markierung in drei Stufen zu staffeln. Dabei wird richtiger roter Asphalt nur dann eingesetzt, wenn Fahrbahnen komplett saniert werden und sowieso eine neue Deckschicht bekommen. Vor allem deshalb, weil das Angebot an rotem Asphalt, auf Grund von bisher fehlender Nachfrage, sehr kostspielig ist. Da in absehbarer Zeit nicht jede der betroffenen Straßen komplett saniert wird, werden wahrscheinlich die Varianten 2 und 3 flächenddeckend zum Einsatz kommen werden: Dies bedeutet, wie bei z.B. den Fahrradfurten und Querungen schon üblich, das rote Farbe auf den Asphalt aufgebracht wird. Es scheint sich dabei niemand Gedanken um den Komfort gemacht zu haben, denn diese Farbe weist einen deutlich höheren Rollwiderstand auf, als der tatsächliche Asphalt. Wenn ganze Straßen in voller Länge mit dieser Farbe angemalt werden, wird der Radverkehr ausgebremst. Und zwar auf Routen, die ihn eigentlich beschleunigen sollen.

Fazit:

Wir begrüßen den Vorstoß der Stadt, noch weitere Fahrradstraßen auszuweisen und damit endlich an vielen Stellen den tatsächlichen Verkehrsflüssen Rechnung zu tragen. Es kann aber nicht die Lösung sein, einfach alle Straßen, für eine Menge Geld, rot anzumalen und dann zu hoffen, dass dadurch niederländische Verhältnisse entstehen. Hier muss ein generelles Umdenken stattfinden: Fahrradstraßen endlich zu echten Fahrradstraßen machen. Das bedeutet den motorisierten Verkehr wirklich aussperren und Parkflächen unter Umständen konsequent zurück zu bauen.

Darüber hinaus sollte es vermehrt Kontrollen von Polizei und Ordnungsamt in bzw. an Fahrradstraßen geben, die uneinsichtige Autofahrer über die Rechte des Radverkehrs aufklären und eventuelles Fehlverhalten auch konsequent sanktionieren.

Fahrradstraße ohne Freigabe wird ignoriert

Dafür sollte ein Teil der 6 Millionen Euro ausreichen. Mit dem Rest kann dann z. B. die marode Infrastruktur der Radwege verbessert werden, ein automatisiertes System in den Radstationen installiert oder mehr Radstellplätze in den Quartieren aufgebaut werden. Wenn der Stadt die Ideen fehlen, wir hätten da ein paar Vorschläge, die den Radverkehr wirklich sicherer machen.

UPDATE:
Der Rat der Stadt hat die Vorlage ohne Änderungen beschlossen. Die roten Fahrradstraßen kommen. Dazu unser Appell an die Politik in unserem offenen Brief, was die Politik davon hält und unsere Zusammenfassung der Ratssitzung mit dem Beschluss findet ihr ebenfalls im Blog.

 

9 Antworten auf „Fahrradstraßen – ist bunt besser?“

  1. Das Einfärben bringt vielleicht bei 10 % der Autofahrer was. Den Rest interessiert es schlichtweg nicht, oder sie wissen es nicht besser. Durch einen roten Anstrich wird mir auch nicht erklärt, dass ich als Autofahrer hier nur Gast bin und mich den Fahrradfahrern anpassen muss. Ich finde, man sollte erstmal Geld in Infomaterial stecken, damit auch wirklich jeder Autofahrer weiß, was er zu tun und was er zu lassen hat.

    Dazu gibt es in Münster definitiv genug katastrophale Fahrradwege, die wohl eher einen „Anstrich“ – bzw. eine komplette Sanierung + Ausbau verdient hätten.

  2. …im Radverkehrskonzept steht “ …nach langjährig bewährten niederländischem Vorbild…“. Mich (und den Rat) sollte interessieren ob die Rotfärbung Vorteile bzgl. Sicherheit bringt (denn Sicherheit muss neben Komfort und Zügigkeit das dritte zentrale Kriterium sein, an dem jede Maßnahme gemessen werden muss). Wenn es durch Einfärbung signifikante Sicherheitsvorteile gibt (zu Komfort und Zügigkeit wird ja im Text schon etwas geschrieben: Erhöhung des Rollwiderstandes) und man mit den 6 Millionen in anderer Verwendung keine vergleichbaren Sicherheitseffekte erzielen kann, dann und nur dann kann man färben…sonst wird es wieder ein Marketinggag „wir in der Fahrradhauptstadt haben xyz Kilometer rot eingefärbt…“- also auch hier muss gelten „Kopf statt Bauch!“

  3. Ob die Straße bunt sein soll, habe ich mir darüber nie Gedanken ehrlich gemacht. Aber mit der Straßenmarkierung geht es doch bestimmt viel sicherer, für alle Teilnehmer des Verkehrs. Auch für die Radfahrer, besonders in den lebhaften Straßen.

  4. Der Radverkehrsanteil steigt und wird im Hinblick auf das zunehmende Umweltbewusstsein zukünftig eine immer größere Rolle spielen. Daher bin ich als Radfahrerin einverstanden, dass man Fahrradstraßen endlich zu echten Fahrradstraßen machen sollte. Mal sehen, ob die roten Fahrradstraßen Nutzen bringen.

Schreibe einen Kommentar zu Martin Kamps Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert