In Münster wird anscheinend** doch abgeschleppt!

Seit 2020 gibt es Vinci das Parkraumwunder in Münster – eine verschiebbare Holzplattform mit der Grundfläche eines Autos das einen Autostellplatzes zurück an die Menschen spendetund so auf den Flächenverbrauch durch den ruhenden Autoverkehr aufmerksam macht.

Update am 03.03.2021: Wir haben in einer Antwort vom Ordnungsamt Unterlagen erhalten, die die internen Vorgänge zur Abschleppung von Vinci beschreiben. Die Unterlagen sind auf FragDenStaat.de veröffentlicht.

Das Münsteraner Parkraumwunder aus 98% upcycletem Holz mit der Grundfläche eines VW Polos (4 m x 1,9 m) wurde seit 2018 geplant und gebaut und liebevoll durch die Kinder des Kinderheims „St. Mauritz“ künstlerisch gestaltet. Es ist stabil genug für mehrere Erwachsene und bietet mit seiner Bank Aufenthaltsqualität für Fußgänger und deutlich mehr Übersicht als ein im öffentlichen Raum abgestelltes privates KFZ. Seine Maße sind zudem deutlich kleiner als fast alle heutigen Autos. Angelehnt ist die Aktion an das „kleine Parkraumwunder“ von Gerhard Wollnitz.

Vinci auf seinem Parkplatz in der Marientalstraße.

Die Taufe und Einweihung des Parkraumwunders erfolgte pünktlich zum ParkingDay am 18. September 2020 auf den Namen „Vinci“. Am gleichen Abend wurde Vinci per Hand in seine erste freie Parklücke in die Marientalstraße im Kreuzviertel (Münster) geschoben. Vinci wurde noch am selben Abend von interessierten AnwohnerInnen entdeckt und mit großer Zustimmung willkommen geheißen. Auch der damalige Spitzenkandidat der Grünen Partei für den Münsteraner Rat, Peter Todeskino, nahm in den folgenden Tagen Platz auf Vinci. Wo bisher nur Autos standen, konnten sich nun Anwohner ausruhen und den öffentlichen Raum wieder als Begegnungsstätte nutzen. Die Wand der Autos wurde durchbrochen.

12 Tage nachdem Vinci in der Marientalstraße abgestellt worden war, am Mittwoch dem 30. September, bekamen wir als IG Fahrradstadt Münster einen Anruf von Herrn Weihermann vom Ordnungsamt Münster. Dort wurde nachgefragt, wie lange Vinci, bzw. „das Ding“ denn noch an der Stelle stehen bleiben würde. Wir kündigten an, dass sicher der Ansprechpartner für Vinci innerhalb von ein paar Tagen zurückmelden würde, um die offenen Fragen bezüglich der Standdauer und der Begründung für das Aufstellen von Vinci zu beantworten. Die gängige Rechtsprechung für das Abstellen für Anhängern ohne zugehöriges Zugfahrzeug* und Autos sieht vor, dass diese alle 14 Tage bewegt werden müssen. Leider war Herr Weihermann am Donnerstag und am Freitag, als wir versuchten uns zurückzumelden, nicht mehr für uns erreichbar.

Am darauffolgenden Samstagvormittag mussten wir leider feststellen, dass Vinci nicht mehr an seinem Platz stand. Auch eine Nachsuche verlief erfolglos. Auf eine Nachfrage bei der Polizei, ob ihnen Abschleppvorgänge o.Ä. gegen Vinci bekannt war, konnte die Polizei keine Akte oder andere Hinweise ausfindig machen. Das Ordnungsamt in Münster konnten wir am Wochenende leider nicht erreichen. Aus diesem Grund ließen wir zunächst eine Anzeige gegen Unbekannt anfertigen, da wir von einem Diebstahl ausgehen mussten. Ob tatsächlich Privatleute sich die Mühe gemacht hatten, die verschiebbare Plattform zu verstecken, bezweifelten wir jedoch.

Am darauffolgenden Montag (5.10.20) konnten wir endlich das Ordnungsamt erreichen. Sogleich erfuhren wir, dass das Ordnungsamt tatsächlich Vincis Abschleppung veranlasst hatte. Eine Begründung dafür wurde uns allerdings nicht mitgeteilt. Insbesondere wurde uns nichts Schriftliches ausgehändigt. Mit der StVO würde man sich nicht auskennen und könnte aus diesem Grunde telefonisch keine Auskunft erteilen. Angeblich würde Vinci nicht als Fahrzeug anerkannt werden. Zumindest wussten wir nun, dass Vinci auf dem Hof des Abschleppunternehmen stand, wodurch bereits Kosten für Abschleppen und Lagerung in Höhe von 209,29 € entstanden waren. Sofort leiteten wir Vincis Rettung in die Wege und befreiten ihn am Mittwoch aus seiner misslichen Lage.

Leider entstanden uns durch Vincis Ausflug nicht unerhebliche Kosten. Ebenso sind wir kein Stück schlauer, warum das Ordnungsamt in diesem Fall eingeschritten ist und in so vielen anderen Fällen genau dies nicht tut, obwohl eine klare Gefahrenlage vorliegt. In Münster wird also scheinbar nur dann abgeschleppt, wenn Platz für Autos in Platz für Menschen umgewandelt wird. Schade!

Montagmorgens vor Vincis Winterquartier (B-Side) trotz abgesenktem Bordstein und Zufahrt.

*In einer früheren Version haben wir geschrieben, dass Anhänger und Autos bis zu 14 Tage im öffentlichen Raum abgestellt werden dürften, ohne bewegt zu werden. Nach aktueller Rechtsprechung gilt dies allerdings nur für Anhänger die ohne Zugfahrzeug abgestellt werden.

** In einer früheren Version lautete der Titel noch auf „In Münster wird scheinbar doch abgeschleppt!“. Nach Hinweisen von aufmerksamen LeserInnen haben wir den Titel besser korrigiert. Vielen Dank für den Hinweis.

6 Antworten auf „In Münster wird anscheinend** doch abgeschleppt!“

  1. Wie wär`s mit dem Abstellen von Anhängern, auf die man Fahrräder drauf abstellen und parken kann, ankettbar. Vielleicht eine kleine Gebühr-box oder Spenden-Bitte von 1-3 Euro? Oder Ausrollen und Wegräumen nach einigen tagen von grünen Rasenteppichen in Parklücken? Wird darauf geparkt oder werden die abtransportiert?Bleibt abzuwarten……

    1. Das schöne an der Benutzung des Handwagens ist, dass dieser eigentlich nach der StVO ähnlich wie einem Auto-Anhänger im öffentlichen Raum abgestellt werden kann. Solange der Handwagen regelmässig bewegt wird.
      Wir haben den Fall auch bereits per Pressemitteilung an die bekannten Medien verschickt. Teilweise wurde die Nachricht veröffentlicht, teilweise erfolgte leider keine Berichterstattung.

  2. Besonders traurig (oder angreifbar?) finde ich die Aussage des Ordnungsamtes, man kenne sich mit der StVO nicht (so genau) aus!
    Wonach gehen sie dann bei ihren Knöllchen oder Abschleppaktionen? „Gesundes Bauchgefühl?“ Oder eher Abstimmung am Behörden-Stammtisch?
    Auf jeden Fall etwas für die Presse! Wenn MZ & WN nicht wollen, vielleicht eher nadann! oder ähnliche?! Oder gleich (auch) überregional? Z. B. taz, FR o. ä.?! Versucht’s mal!
    Grischa

    1. Wir haben den Fall auch bereits per Pressemitteilung an die bekannten Medien verschickt. Teilweise wurde die Nachricht veröffentlicht, teilweise erfolgte leider keine Berichterstattung.
      Bezüglich der Abschleppaktionen braucht das Ordnungsamt in Münster nicht nach dem Bauchgefühl entscheiden. Es wird bekanntermaßen in Münster nicht abgeschleppt, wenn es sich um Autos handelt.

  3. Hallo Herr Kubina,
    gibt es schon Neuigkeiten im Fall „Vinci“? 🙂
    Führen Sie die Aktion fort?
    Ich würde es mir sehr wünschen!!
    Aufmerksam auf „Vinci“ bin ich heute durch den RUMS-Newsletter von Marina Weisband geworden.

    P.S.: Falls Sie das „scheinbar“ gegen ein „anscheinend“ austauschen könnte…?
    „Scheinbar“ also ‚bar jeden Scheins‘ bedeutet, dass etwas eher unwahrscheinlich ist.
    „Anscheinend“, also ‚allem Anschein nach‘ bedeutet, dass es wahrscheinlich ist.

    1. Hallo Herr Biermann,
      Danke für Ihre Hinweise. Ich habe den Titel entsprechend korrigiert.
      Aktuell wird die Aktion auf unterschiedliche Weisen fortgeführt. Einerseits versuchen wir aktuell die Unterlagen, die das Ordnungsamt zu dem Vorgang haben müsste, per IFG-Anfrage zu befreien. (Frag-den-Staat) Leider haben wir zu der Anfrage bisher noch keinerlei Antwort erhalten.
      Andererseits versuchen wir über die Politik und den Rat der Stadt Münster einen entsprechenden Beschluss zu erwirken, der das Abstellen von Parkraumwundern in Münster grundsätzlich ermöglicht.
      Nach einem Gespräch mit einem Anwalt scheint uns der Rechtsweg leider mit zu großen finanziellen Risiken belastet zu sein, als dass wir dieses Risiko eingehen wollen.
      Viele Grüße
      Konstantin Kubina

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