Bus fahren wird teurer, weil zu viel Stau ist

Im folgenden Artikel geht es nicht direkt ums Radfahren, aber um nachhaltige und zukunftsfähige Mobilität in unserer Stadt. Und da wir natürlich nicht ausschließlich mit dem Rad unterwegs sind, sondern ab und zu auch mal Bus fahren und ein guter ÖPNV ebenfalls zur Verkehrswende beiträgt, geht es hier jetzt mal um den Nahverkehr in Münster:

In der vergangenen Woche haben die Stadtwerke Münster ihre Kunden über die kommenden Fahrpreiserhöhungen zum 1. August 2018 informiert. Der Preis für das 90-Minuten-Ticket, sowie dessen Tagespreis steigen. Ebenfalls werden die Preise für die GoCard, das Schülerticket, angehoben. Der Grund, der in diesem Schreiben genannt wird, ist: Stau.
Auf Grund von zunehmenden Staus auf den Münsteraner Straßen seien die Betriebskosten gestiegen. Um den Fahrplan trotz der Verkehrsbehinderungen noch einhalten zu können, müssten mehr Busse (auch von Drittfirmen) eingesetzt werden.
Jetzt zahlen also die Menschen, die den ÖPNV nutzen (und damit Staus reduzieren), mehr Geld, weil zu viele Andere lieber in ihren privaten PKW (Besetzungsgrad in der Stadt 1,2 Personen/Kfz) unterwegs sind. Das kann nicht die Lösung sein.

Eine Lösung, wie man den Verkehrsinfarkt in der Stadt in den Griff bekommen kann, ist zweifelsohne ein attraktives ÖPNV Angebot, welches leistungsfähig, schnell, günstig und einfach zu benutzen ist. Hinzu kommt eine sinnvolle Vernetzung mit allen anderen Verkehrsträgern (Rad, Bahn, Carsharing, P+R, B+R etc.) die einen Umstieg zwischen den einzelnen Mobilitätsformen komfortabel möglich macht.
Wenn es darum geht, den begrenzten Straßenraum in urbanen Ballungsgebieten möglichst effizient zu nutzen, das heißt, möglichst viele Menschen pro Zeit zu transportieren, sind Busse (und S-Bahnen, Trams etc) unschlagbar. Das folgende Video veranschaulicht die Ineffizienz des privaten PKW (hier sogar noch mit 1,5 Personen/Kfz dargestellt) und den Grund, warum es so viel Stau gibt auf unseren Straßen.

Die Frage, die man sich vor diesem Hintergrund stellen muss, ist: Warum die Stadt und die Stadtwerke nicht viel mehr in die Stärkung des Umweltverbunds investieren, um die Verkehrsprobleme zu lösen?
Nimmt man die Begründung für die Preiserhöhung, ist zunächst einmal zu hinterfragen, warum die Busse überhaupt vom Stau betroffen sind. Diese Situation lässt sich recht einfach erklären: Münster hat ein Netz aus Hauptstraßen von ca. 480km. Gerade einmal auf 10km davon gibt es Busspuren*, die den ÖPNV abseits des motorisierten Verkehrs beschleunigen. Die Konsequenz ist klar: Wenn der Bus keine eigene Spur hat, steht er mit allen anderen im Stau und kann seinen Fahrplan nicht einhalten.

Auf der Hafenstraße herrscht quasi Dauerstau, die Ringlinie steht mitten drin.

Die Lösung wäre dabei so simpel wie kostengünstig: Durchgehende Bus Vorrangsrouten auf allen Haupteinfallstraßen und auf dem Ring. Alle diese Straßen sind zu sehr großen Teilen zweispurig in jede Richtung ausgebaut. Es wäre verhältnismäßig einfach umsetzbar, je eine Fahrspur pro Richtung zur Umweltspur zu machen (ggf. ja sogar mit dem Zusatz „Radfahrer frei“) und auf diesen den Busverkehr schnell und möglichst störungsfrei abzuwickeln. Eine Idee dazu haben die Stadtwerke sogar selbst schon: ein „Hochleistungsnahverkehr mit Metrobussen“ wurde beim Verkehrstag der FH Münster vorgestellt. Weitere Schritte sollen kleinere On-Demand Busse und der Ausbau der Multimodalität sein. Für die On-Demand Busse soll es auch schon konkrete Überlegungen mit der Stadtverwaltung geben. Es bleibt hier einzig die Frage: Stehen dann auch diese Busse im Stau? Und: Wieso wird der zweite vor dem ersten Schritt gemacht?

Als konkretes Beispiel lässt sich anhand der Hammer Straße zeigen, warum die bisherige Busbeschleunigung nicht funktioniert und wie es anders aussehen könnte:

Die Hammer Straße, als Haupteinfallstraße aus Süden in die Innenstadt ist hochfrequentiert. In dem Bereich des 2,5km langen 4-streifigen Ausbaus gibt es lediglich knapp 500m Busspur. Diese ist sogar nochmal teilweise auf der rechten Spur geführt und wechselt dann auf die linke Spur. Selbst wenn der Bus an dieser Stelle den Stau überholen kann, davor und danach steht er wieder mittendrin. Hier helfen auch die zu Gunsten des Busses schaltbaren Ampeln nur wenig.
Eine Lösung wäre eine der beiden Fahrspuren zu einer Umweltspur umzuwidmen und hierauf durchgehend den Busverkehr zu beschleunigen.

Mögliche Umweltspur auf Höhe von Toom Baumarkt in beide Richtungen.
Mögliche Umweltspur an der Kreuzung Hammer Straße/Berg Fidel in beide Richtungen.

Die Lösung, die Kosten für die Menschen zu erhöhen, die mit ihrer ÖPNV-Nutzung schon viel für Stauvermeidung tun und sie dafür zur Kasse zu bitten, weil ansonsten zu viele Andere das eigene Auto nehmen, ist die schlechteste aller Möglichkeiten. Im schlimmsten Fall steigen Menschen aus Kostengründen jetzt erst Recht ins Auto. Eltern bringen die Kinder mit dem Elterntaxi zur Schule, weil die GoCard ebenfalls teurer wird.

Damit hätte am Ende niemand was gewonnen.

Was muss also passieren?

Neben den bereits erwähnten Umweltspuren zur durchgehenden Beschleunigung des ÖPNV, kann Bus fahren auch wieder günstiger werden. Zum Beispiel mit einer Quersubventionierung durch Parkgebühren. Diese sind für Parken im öffentlichen Raum seit über 15 Jahren nicht mehr gestiegen.

Kostenentwicklung der Preise für den öffentlichen Nahverkehr und Gebühren für das Parken im öffentlichen Raum in Münster im Vergleich 2002 zu 2017. Quellen: Gebührenordnung Stadt Münster, Stadtwerke Münster

Auch die Gebühren in den Parkhäusern (der Betreiber WBI ist eine 99%ige Tochter der Stadtwerke) müssten drastisch erhöht werden. Während der Tageshöchstsatz in Münsters Innenstadt bei lediglich 15€ liegt, müssen Autofahrende zum Beispiel in Amsterdam bis zu 50€ berappen. Ein weiteres Beispiel, wie Parkraumbewirtschaftung zu einem verbesserten ÖPNV Angebot führen kann, zeigt die Stadt Nottingham in England.
Best-Practice Konzepte gibt es zahlreich, man muss nur den Willen haben, diese für Münster anzupassen und umzusetzen. Hier ist auf der einen Seite die Politik in der Pflicht, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen, indem Beschlüsse für diesen Wandel gefasst werden. Auf der anderen Seite sollten die Stadtwerke ihre Position nutzen, um klare Forderungen an die Politik zu stellen, wie sie sich eine nachhaltige Mobilität und ein gutes ÖPNV-Angebot in Münster vorstellt. Beides gerne transparent und öffentlichkeitswirksam.

*Aussage von Reinhard Schulze, Leiter Nahverkehrsmanagement beim Workshop Stop oder Go? – Perspektiven für ein mobiles Münsterland der IHK Nord-Westfalen am 9. November 2017

9 Antworten auf „Bus fahren wird teurer, weil zu viel Stau ist“

  1. ich kann die Argumentation nicht ganz verstehen! Wieso braucht man wegen Stau mehr Busse? Ob 1 oder 2 Busse, beide stehen doch im Stau und beide werden Verspätung haben!

    Ich sehe das Problem auch nicht bei der schlechten Busspur Quote, es sind viel mehr die paar wenigen Nadelöhre in der Innenstadt wo ja quasi jeder Bus durch fährt! Würde man diese beseitigen, wäre schon viel erreicht. Da fallen mir Spontan der Ludgeriekreis und die Hafenstraße ein. Solange die nicht ausgebaut werden, wird das Problem bestehen bleiben.

    1. Die Argumentation kommt nicht von uns, sondern von den Stadtwerken. Ohne genaue Details zu kennen können wir uns sowas vorstellen: Bus 1 steht im Stau und bekommt immer mehr Verspätung, damit zB die Gegenrichtung von der Endhaltestelle/Wendepunkt trotzdem pünktlich bedient werden kann, muss Bus 2 zusätzlich eingesetzt werden. Dieser fährt dann direkt zur Endhaltestelle um die Gegenrichtung dann pünktlich bedienen zu können.
      Die Nadelöhre in der Innenstadt sind ebenfalls ein Problem, aktuell fahren z.B. auch 11 Linien innerhalb der Promenade.
      Wir sehen: Das Problem ist komplex und unsere Vorschläge sind auch nur einige mögliche Ideen für eine Lösung.

      1. Das ist der Kernpunkt:
        Wenn man eine Linie in beide Richtungen im z.b. 20-Min-Takt bedienen will, die Fahrzeit pro Richtung 35 Minuten beträgt, braucht es 4 Fahrzeuge bei 5 Minuten Puffer pro Richtung für kurze Pausen/Verspätungsabbau. Beträgt die Fahrzeit häufig z.b. 40 Minuten, reichen 4 Fahrzeuge nur noch für 22,5 Minuten Takt bei gleichem Puffer, ein 5. Fahrzeug (+FahrerIn) wird nötig um den gleichen 20-Min-Takt zu halten.

  2. Danke für die gute Reflexion des Themas, untermauert mit interessanten Fakten.

    Was mich interessieren würde: Gibt neben den absoluten Zahlen der Verkehrszählstellen belastbare (und öffentliche) Zahlen mit Details zum Individual-PKW-Verkehr in Münster?

    Beispiel:
    Wie viele % der Leute kommen zum Einkaufen?
    Wie viel % ist Pendlerverkehr?
    Welche sonstigen Motive gibt es den PKW zu nutzen?
    Wie viel kommt aus dem Umland?
    Wie viel entsteht durch innerstädtischen Verkehr?
    Zu welchen Uhrzeiten/Wochentagen?

    Das Einzige was mir bekannt sind, sind die Zahlen zum Pendlerverkehr, die es in der Landesdatenbank NRW gibt. Der Anteil der Pendler in Münster liegt derzeit z.B. bei 44%.

  3. Meines Erachtens stimmt folgender Satz nicht so ganz: „Diese [Gebühren] sind für Parken im öffentlichen Raum seit über 15 Jahren nicht mehr gestiegen.“, siehe „Hier erfolgte die letzte Anpassung zum 03.01.2011.“ von https://www.stadt-muenster.de/sessionnet/sessionnetbi/vo0050.php?__kvonr=2004040992

    Das Parken trotzdem nach wie vor viel zu billig ist, habe ich hier mal aufgeschrieben:
    https://kartoffelsalat.ddns.net/post/parken-bus-wbi/

  4. Na ja, der Verkehr ist zu einem echten Problem geworden, besonders in den Großstädten. Die Freundin besiegt den mit dem Taxi, denn sie kann nicht selten verschlafen. Mit leistet aber mein Fahrrad Hilfe. Gottseidank, dass es noch genügend Parkplätze neben unserem Büro gibt.

  5. Was in Deutschland leider viel zu wenig genutzt wird, sind Pförtnerampeln.
    Die Kernidee ist, den Stau dorthin zu verlagern, wo er weniger stört, also an den Stadtrand bzw. darüber hinaus, damit die Straßen in der Stadt nicht über ihre Kapazitätsgrenze belastet werden, Stau in der verdichteten Innenstadt also vermieden wird.
    Busspuren sind natürlich auch fein, aber manchmal schwierig umzusetzen – Ampeln sind relativ einfach aufzustellen, gerade am Stadtrand. Ggf. gibt es auch schon geeignete Ampeln, bei denen man nur die Programmierung anpassen muss.

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